"Die Farben des Bösen" - Das Experiment

Anlässlich der Veranstaltung "Lesbar" in Thalwil vom vergangenen November ergab sich ein anregendes Gespräch mit einem Paar, das die Veranstaltung zufällig besucht hat. Die Unterhaltung entstand, weil die beiden neben dem Büchertisch standen, auf dem meine Bücher aufgelegt waren. Ich erkundigte mich, ob ich ihnen helfen kann; am Ende halfen sie mir.

 

Im Grunde ging es darum, dass sie lieber Liebesromane liest und er Krimis mag -  solange es nicht allzu blutig zu und her geht. So, wie sie anhand der Klappentexte herausfanden, bewegen sich demnach meine Bücher nicht unbedingt in ihren Lieblingsgenres. Grundsätzlich stimmt das. Aber … 

 

Ich klärte die beiden darüber auf, dass es ein Buch gibt, das in drei Teile unterteilt ist. Nämlich in weiß, grau und schwarz. Die weißen Teile behandeln die Liebesgeschichte. Die grauen die Ermittlungsarbeit und die schwarzen beinhalten die Stimme des Mörders. Ich äusserte meine Vermutung, man könne alle drei Teile unabhängig voneinander lesen und habe am Ende in einem Buch drei Geschichten, die zwar zusammengehören, aber in sich auch eigene Geschichten sind, die ohne die anderen Teile funktionieren. Um Gewissheit zu erlangen, ob diese Vermutung zutrifft, schlug ich den beiden vor, sie könnten sich beim Lesen aufteilen: Sie liest die weißen Sequenzen, er die grauen. Dann müssten sie nur noch jemanden finden, der sich die schwarzen zu Gemüte führt.

 

Aus Spaß wurde Ernst. Die beiden waren begeistert und hatten auch gleich eine Idee, wer in ihrem Umfeld die schwarzen Kapitel lesen könnte. Danach ging alles ganz schnell: Ich gab ihnen meine Mailadresse, mit der Bitte, mich aufzuklären, ob die drei Farben tatsächlich unabhängig voneinander eine schlüssige Geschichte ergäben oder nicht. Sie packten ein Exemplar von "Die Farben des Bösen ein" und einige Wochen später erhielt ich eine E-Mail. Tatsächlich haben drei Personen im selben Buch gelesen. Eine las schwarz, eine weiß, eine grau. 

 

Zu den weißen und weiß/schwarzen Kapiteln erhielt ich das Feedback, dass es eine zusammenhängende Geschichte mit sympathischen Protagonisten ist, die sich auch in Sachen Spannung immer mehr entwickelt. Der Prolog und Epilog liefern noch ein paar Informationen, die das Verständnis für gewisse Handlungen noch vertiefen. Spannend fand ich, dass die Leserin absolut keinen Bock hatte, sich den "Zauber", wie sie es nennt, der Liebesgeschichte rauben zu lassen, indem sie die anderen Kapitel auch noch las. Ihr fiel es also leicht, sich der Liebesgeschichte hinzugeben und sie würde sich sogar noch eine weitere reine Liebesgeschichte aus meiner Feder wünschen.  

 

Auch wenn man nur die grauen Kapitel liest, versteht man die Handlung gut, meinte Leser zwei. Am Schluss fehlen ihm dann jedoch Informationen, die, wie der "graue" Leser vermutet, in den weiß/schwarzen Kapiteln zu finden sind. Die Geschichte über die Ermittlungen nimmt trotz Prolog und Epilog somit leider kein logisches Ende. 

 

Schwarz traf es am härtesten. Der Mörder wird als wirklich kranker Typ eingestuft und die Leserin hätte das Buch aus diesem Grund am liebsten zur Seite gelegt, wäre es nicht ein Experiment gewesen. Tapfer biss sie sich deshalb weiter durch und wurde damit belohnt, dass sich ab ungefähr der Hälfte des Buches aufzuklären begann, was den Mörder bewegt. Die weiß/schwarzen Kapitel am Ende unterstützen die "schwarze" Geschichte, der Epilog bringt noch etwas mehr Aufklärung. Die Leserin meint, dass die schwarzen Kapitel in sich eine eigene Geschichte darstellen. Der Prolog und der Epilog helfen dabei, herauszufinden, warum alles ist, wie es ist, und wie es tatsächlich ausgeht.

 

Résumé: Alle drei sind sich einig, dass die Farbaufteilung ein spannendes Stilmittel ist. Zwei von drei interessierten sich am Ende dann aber doch noch für die andersfarbigen Kapitel, während die dritte Person mit der reinen Liebesgeschichte sehr zufrieden ist und den Rest gerne ignoriert … "Die Farben des Bösen" ist also nicht nur für Thriller-Fans lesenswert!

 

Vielen lieben Dank an meine drei Testleser! 

 

Eure Anja