Tatort Steinhausen - Der Bericht...

Es ist bereits über eine Woche her, seit diesem beeindruckenden Erlebnis. Dennoch möchte ich es natürlich nicht unterlassen, noch genauer davon zu berichten.

 

Nach der Anfrage von Urs, ob ich für Mitra Devi einspringen würde, ging alles ganz schnell. Ehe ich begreifen konnte, wozu ich ja gesagt habe, war ich eigentlich schon auf dem Weg an den "Tatort".

 

Natürlich musste im Büro genau an diesem Freitag noch alles auf den letzten Drücker fertig werden, so dass ich mich schon ganz schön sputen musste, um meinen Zug zu erwischen. Noch kurz meine Mutter unter den Arm genommen und los ging's Richtung Zürich.

 

Die Zugfahrt verlief entspannt. Zumindest die ersten zwei Minuten. Dann surrte mein Handy. Die Nachricht kam von Urs. Er sitze noch in Sissach fest. Wie er mir später erzählte, verzögerte sich seine Weiterfahrt wegen eines medizinischen Notfalls. Wie dem auch sei, er war dennoch guter Dinge, dass er es rechtzeitig nach Zürich schaffen würde. In besagter Stadt angekommen, dämmerte mir langsam, dass Umsteigen innert 8 Minuten zwar durchaus drin liegt - aber ...

 

Wer die Begebenheiten in Zürich kennt, weiss, dass es ein Kopfbahnhof mit mehreren Ebenen ist. So fuhr unsere gewünschte S-Bahn natürlich zwei Stockwerke tiefer. Kein Problem, wenn man direkt vom Perron in die Unterführung kann. Wohl ein Problem, wenn man sich durch alle Passagiere von ganz hinten nach ganz vorne an den Kopf des Zuges hindurchschlängeln muss, um zu der grossen Anzeigetafel zu kommen, unter dem man sich verabredet hat. Ergo: Am vereinbarten Treffpunkt angekommen, waren meine Mutter und ich zum zweiten Mal ausser Atem. Die Atemnot wurde noch etwas verstärkt, als wir Urs nicht entdecken konnten. Nach einem Blick auf die Uhr suchte ich schon Mal eine Alternativverbindung heraus, als Urs just dann auf uns traf, als die eigentlich geplante S-Bahn den Bahnhof verliess.

 

Nebenbei erwähnt: Thomas, der ebenfalls Verspätung hatte und uns beschwor, die S-Bahn auch ohne ihn zu besteigen, war schliesslich der einzige gewesen, der die S-Bahn auch wirklich erreicht hatte ... und sie wieder verliess, nachdem er gehört hatte, dass wir sie verpassen würden.

 

Jedenfalls ging's dann auf zur Alternativverbindung. Gleis 51. Nochmal, wer Zürich kennt, der langt sich jetzt an den Kopf, denn: Gleis 51 ist am A … nderen Ende des Bahnhofs.

 

Die Wege trennten sich. Urs und ich rasten los, während meine Mutter zurückblieb und auf Thomas wartete, der erst noch von unten nach oben kommen musste. Ausser Puste zum Dritten erreichten Urs und ich schliesslich den Zug. Die beiden andern ebenso, auch auf einem 50er-Geleise. Der gleiche Zug war's dennoch nicht. Wir starteten von fast nebeneinanderliegenden Geleisen und fuhren schliesslich zwei völlig unterschiedliche Strecken an ein und den selben Ort. Tja, gute Planung ist eben alles...

 

Urs meldete unsere Verspätung dann noch den Veranstaltern. Diese reagierten prompt und schickten uns ein Auto, das uns vom Bahnhof in Baar abholen sollte. Gesagt, getan. Wir kamen in Baar an und da stand prompt eine Familienkutsche. Die rassige Fahrweise meiner neuen Lieblingschauffeurin brachte uns dann auch zu einer vernünftigen Zeit ans Ziel, wo ein warmer Empfang auf uns wartete - nachdem wir erst einen charmant inszenierten, professionell abgesperrten Tatort mit abgeschnittenen Fingern und kopflosen Ohren, passiert hatten.

 

Vorweg: Ich wurde nicht zur dazugehörenden Leiche. Selbst, als Urs offenbarte, Mitra Devi sei verhindert und ich als ihr Ersatz eingesprungen, wurde dies zwar erstaunt, aber keineswegs negativ aufgenommen. Im Gegenteil, man zeigte sich erfreut und dankbar darüber, dass ich spontan zugesagt hatte. Auch Dominik Bernet, der planmässig eintraf und uns, also eigentlich Mitra und Urs, bereits erwartete, war, wenn überhaupt, knappe zwei Sekunden über die Planänderung verdutzt. Ganz allgemein war die Stimmung und der Umgang untereinander sehr locker und die Atmosphäre entspannt.

 

Die Neuankömmlinge, also meine Mutter und Thomas, die von Baar mit dem Bus kaum länger hatten, als wir mit dem Auto, hätte ich beinahe übersehen, so viele Eindrücke und Infos gab es zu verarbeiten. Zum Beispiel durfte ich noch meine Bücher neben denen von Dominik auf einem Tisch platzieren, mir wurde ein Wasser angeboten, wobei ich nebenher noch erfuhr, dass es aber unbedingt ohne Kohlensäure sein sollte - wegen dem Rülpsen, wie man mir im Brustton der Überzeugung sagte. Zugegebenermassen ergab das Sinn, aber daran muss man auch erst mal denken...

 

Aber ich kam sowieso nicht dazu, das, schlussendlich stille, Wasser anzurühren. Die beiden Herren Dominik und Urs sorgten nämlich für ihr, wie sie mir anvertrauten, fast traditionelles, Gläschen Weisswein. Eigentlich stand Weisswein nicht auf dem Apéro-Plan, aber für Frau Wandfluh war das kein Problem. Einmal mehr zauberte sie auch an dieser Stelle und in Windeseile waren drei Gläser Weisswein da. Bis heute weiss ich nicht woher.

 

 Mit meinem Glas in der Hand stand ich vor den Buchtipps des Krimiclubs Steinhausen, der übrigens auch für den Tatort in der Eingangshalle verantwortlich zeichnete, zwischen den zwei erfahrenen Talkern und liess mich von ihrem angeregten Schlagabtausch berieseln. Während ich die eine oder andere Pointe in die Unterhaltung einzufügen versuchte, von der ich jeweils fest hoffte, sie möge zumindest ein Grinsen hervorzaubern, nippte ich an meinem Gläschen Wein und warf einen Blick auf die vielen Stühle im Raum, die, bis auf ein paar wenige, leer waren. Eigentlich war ich darüber nicht besonders traurig, denn vor welchem Publikum konnte man sich am wenigsten blamieren? Genau. Vor einem, das nicht da war.

 

Gedanklich zurück bei Wein und Unterhaltung ertönte nach einem Blick auf die Uhr der Startschuss. Zeit, die Bühne zu betreten. Flankiert von den beiden Profis nahm ich meinen Platz ein und riskierte einen erneuten Blick auf die leeren Stühle.

 

Leer? Pustekuchen. Wann genau diese Leute eingetroffen waren, kann ich mir nicht erklären. Aber sie waren da. Und wie. Wie ich im Nachhinein erfuhr, mussten sogar noch Stühle zu den bestehenden Reihen hinzugefügt werden, denn: Rund 70 Personen beehrten uns mit ihrer Anwesenheit.

 

"Hui!" Das war alles. Mehr Gedanken konnte ich mir dazu nicht machen, denn nach der Eröffnung des Abends durch Frau Wandfluh, wurde mir auch schon ein Mikrofon in die Finger gedrückt und ich durfte die erste Frage von Urs beantworten. Ich dachte kurz an mein Briefing im Zug: Beantworte die Frage ausführlicher als nur mit "Jä" oder "Jo". Das war alles gewesen. Gut, das sollte ich hinbekommen. Habe ich auch, denke ich. Wie viel sinnvolles, spannendes oder nützliches meinen Mund verlassen hat, weiss ich nicht.

 

Dominik hingegen hatte einige kluge Antworten bereit, die ich mit mindestens ebenso viel Interesse verfolgte, wie das Publikum. Und ich muss sagen, ich fühlte mich ganz wohl dort wo ich war. Das lag sicher an der Selbstsicherheit, mit der Urs und Dominik an die Sache herantraten. Erst als Urs dann ankündete, ich würde nun einen Teil aus meinem Buch lesen, rutschte mir das Herz kurz Mal in die Hose. Ich steckte das Mikro in den Ständer und legte mein Buch vor mir zurecht, als Dominik flüsterte: "Villicht nimmsch es besser in d'Hand." Ich nahm also das Buch in die Hand und zog das Mikro näher. Prompt folgte noch ein Flüstern. "Nein, nicht das Buch, nimm das Mikro in die Hand."

 

Ach so! Na dann... So nahm ich das Mikro, während sich Dominik darbot, mein Buch zu halten und umzublättern. Gute Idee. Nach einem kurzen Ich-bin-ganz-ruhig-Einatmen begann ich zu lesen. Während Urs tief in sich ging, las Dominik neben mir brav mit und es stellte sich heraus, dass er ein hervorragender Umblätterer ist.

 

Den knapp 3-Seitigen Prolog gelesen, klappte ich das Buch dann wieder zu und kassierte doch tatsächlich Applaus. Obwohl klar ist, dass man das eben so macht, egal wie die Leistung war, war das doch ziemlich cool. Der letzte Applaus von fremden Menschen ist nämlich schon eine Weile her.

 

Zum Schluss gab es noch ein paar Fragen von Urs und am Ende auch vom Publikum an Dominik und mich, bei deren Beantwortung ich feststellen musste, dass auf einmal meine mikrofonhaltende Hand, zitterte.

 

Dann war der ganze Spuk auch schon vorbei. Glücklich und zufrieden damit, wie alles nach einem turbulenten Start über die Bühne ging, verliessen wir nach der abschliessenden Rede von Frau Wandfluh, einem weiteren Applaus und mit einer enorm leckeren Steinhauser Spezialität in Händen, unser Plätzchen, mischten uns unters Volk und stürmten das Apéro-Buffet.

 

Den Wechsel von Weiss- auf Rotwein verpasste ich genauso wie das Essen. Ich war zu sehr war ich mit Plaudern beschäftigt. Aber mein fürsorglicher Thomas packte mir in weiser Voraussicht ein bisschen was ein, das ich dann Zuhause als Mitternachtssnack serviert bekam.

 

Wir unterhielten uns noch richtig gut mit den Anwesenden, u.a. mit den Mitgliedern des Krimiclubs. Es wurden eine Menge Dankeschöns ausgetauscht und sogar ein paar Bücher durfte ich verkaufen, z.B. an die Bibliothek Steinhausen. Also merke: Dort kann man mein Buch ausleihen. Das macht Stolz.

 

Ein kleines bisschen Starfeeling kam dann auch auf, als ich die Bücher signieren durfte. Ich wollte aber nicht einfach meinen Namen rein pflanzen, sondern dem ganzen noch eine etwas persönlichere Note geben - gut, da muss ich noch etwas üben... Aber: Es hat Spass gemacht, und zwar so richtig. Doch jeder schöne Abend hat mal ein Ende, so auch dieser.

 

Damit der Zug nicht ohne uns Richtung Zürich fuhr, erhielten wir erneut unsere Chauffeurin inkl. Familienkutsche zur Seite gestellt. Mit einem positiven Echo auf unsere Darbietung, einem guten Gefühl und einer neuen Erfahrung im Gepäck ging’s dann auf Richtung Heimat. Um diesen gelungen Abend ein wenig zu feiern - und, zugegeben, auch mich selbst - setzten wir uns in den Speisewagen und stiessen mit einem Bierchen an ... Danke Steinhausen!

 

P.s. Liebe Frau Wandfluh, Ihr Päckchen ist bei mir angekommen. Die fahnenflüchtigen Bücher sind wieder dort, wo sie hingehören.

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